Der Tanz um das Goldene Kalb: Wie wir uns an die Geschichte erinnern
09.12.12024 HE
Jeder kennt diese Geschichte1. Jeder weiß auch ungefähr, um was es geht: Du sollst dir keine "falschen Götter" machen. Nur EIN Gott ist der richtige: JHWH (Jahwe), der EINE, einzige, "echte" Gott.
Schwieriger wird die Erinnerung, wenn es um den genauen, oder auch nur den ungefähren Ablauf der Ereignisse geht. Irgendwas mit den 10 Geboten, dem Berg Sinai, Moses, und so. Versuchen wir, uns zu erinnern:
Moses war auf den Berg gegangen, um von "Gott" die 2 Steintafeln mit den 10 Geboten zu empfangen. In der Zwischenzeit machten sich die Israeliten ein Kalb aus Gold, um das sie tanzten. Als Moses zurück kam und das sah, wurde er sehr wütend und zerbrach die Steintafeln. Irgendwie hat er dann noch furchtbar herumgeschimpft, dann ist er wieder auf den Berg, und hat gnädigerweise vom "Gott" eine 2. Version der Tafeln erhalten, kam wieder runter vom Berg und die Israeliten zogen weiter. So irgendwie; oder war da noch was? Warum war das denn so schlimm, das mit dem Goldenen Kalb? Ok, ist nicht nett, und auch ein bisschen lächerlich, so ein Kälbchen anzufertigen und das als "Gott" anzubeten.
Aber so ähnlich erinnern sich die meisten an die Geschichte. Und das heißt, dass da Wesentliches fehlt. Und das fehlt, weil es meist bewusst weggelassen wird, oder nur beiläufig erzählt; oder mit so einem "Framing", einem Fokus auf den angeblichen Skandal des "falschen Gottes" und der Leichtgläubigkeit des Volkes, das natürlich unbedingt gewarnt werden muss: Nur der "richtige" Gott darf angebetet werden.
Was also fehlt, wie war das genau? Nochmal von vorn:
Moses war auf den Berg gegangen, um von "Gott" die 2 Steintafeln mit den 10 Geboten zu empfangen. Da er recht lange weg war, wollten die Israeliten von ihrem Oberpriester Aaron, dem Bruder Moses', etwas Greifbares als Ersatz. Denn Moses war die einzige Verbindung zum "Gott", und die fehlte nun. Aaron ließ sie eine Statue eines Jungstieres (später als Goldenes Kalb verhöhnt) anfertigen, dem Sinnbild JHWHs. Sie taten so, und als die Statue fertig war, feierten sie und tanzten drum herum. Dann kam Moses vom Berg zurück. Gott hatte ihm schon auf dem Berg mitgeteilt, dass das Volk vom rechten Glauben abgefallen sei, doch als er sie tanzen sah, war er außer sich vor Zorn. Er zerbricht die Steintafeln, schmilzt das Kalb ein, zerstampft es zu Staub, den er in Wasser streut und das Gemisch den Volk zum Trinken gibt.
Dann befiehlt er, die Gegner Gottes hinzumetzeln: „Moses trat in das Lagertor und sagte: Wer für den HERRN ist, her zu mir! Da sammelten sich alle Leviten [Priesterstamm der Israeliten] um ihn. Er sagte zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Jeder lege sein Schwert an. Zieht durch das Lager von Tor zu Tor! Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Nachbarn. Die Leviten taten, was Moses gesagt hatte. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann. Dann sagte Moses: Füllt heute eure Hände für den HERRN! Denn jeder ist gegen seinen Sohn und seinen Bruder vorgegangen, damit Segen auf euch komme.“
Hand aufs Herz: Wer erinnert sich an dieses Detail, den Massenmord mit 3000 Toten, den Moses befiehlt? Haben wir je Moses als Massenmörder bezeichnet gehört? Massenmord ist ja auch kein Problem, Moses hat lediglich "Gerechtigkeit" walten lassen. Gottgefällig, den deshalb(!) erhält er ja die zweiten Steintafeln und Gottes Zorn beruhigt sich.
Um das Goldene Kalb herumzutanzen ist eine todeswürdige Sünde - Massenmord dagegen kein Problem.
Das sehen wir heute ein wenig anders.